In der Rektorenkonferenz der deutschen Kunsthochschulen (RKK) haben sich diese in ihrer ganzen Vielfalt und auch Heterogenität zu einem bildungspolitischen Forum zusammengeschlossen. Die regelmäßige diskursive Kooperation dient dem Erfahrungs- und Meinungsaustausch der Kunsthochschulen untereinander über ihre wesentlichen Aktivitäten und Interessen sowie über Belange der an ihnen angesiedelten Studiengänge, z. B. der Bildenden Künste und des Kunstlehramts. Zu ihren Anliegen und Arbeitsgebieten zählen unter anderem die Gestaltung von Studienreformen und Entwicklungen in der Hochschulgesetzgebung. Darüber hinaus erörtert die RKK auch hochschul- und kulturpolitische Fragestellungen generell. Sie steht dazu in Austausch mit der Rektorenkonferenz der deutschen Musikhochschulen (RKM) und der Hochschulrektorenkonferenz (HRK).
Die RKK schafft öffentliche Aufmerksamkeit für die politischen, sozialen, rechtlichen und wirtschaftlichen Bedingungen der deutschen Kunsthochschulen, wirbt für deren Ziele und vertritt diese gegenüber der Öffentlichkeit und den politischen Entscheidungsträgern. Über regionale und nationale Grenzen hinaus steht die RKK im Dialog mit weiteren Kunst- und Bildungseinrichtungen.
Als Forum der Meinungsbildung und der Interessenvertretung der deutschen Kunsthochschulen hebt die RKK die Bedeutung der bedingungslos freien Kunst für eine komplex konzipierte Gesellschaft hervor und engagiert sich für die Stärkung des Interesses an den Künsten, insbesondere der Förderung des künstlerischen Nachwuchses.
Kunsthochschulen/Kunstakademien in der deutschen Hochschullandschaft
Eine Positionsbeschreibung
Kunsthochschulen/Kunstakademien in Deutschland
In Deutschland existieren 24 in der Rektorenkonferenz der Kunsthochschulen (RKK) zusammengeschlossene Kunsthochschulen und Kunstakademien¹. Diese sind – durchaus vergleichbar auch mit anderen Hochschultypen – in ihren jeweiligen Traditionen, Fächerangeboten und Strukturen sehr divers. Die klassische Vorstellung vom Studium in den traditionellen Künsten wie Malerei und Bildhauerei verbindet diese Hochschulen; Sie wird an einigen Kunsthochschulen und -akademien durch eine Vielzahl von weiteren künstlerischen, gestalterischen und medialen Studienrichtungen ergänzt. Nur wenige dieser Institutionen sind im Zuge des Bolognaprozesses auf ein modularisiertes, Leistungspunkte-basiertes Bachelor/Master-Studium teil- oder ganz umgestaltet worden. Die meisten bieten nach wie vor Diplom- oder Absolventenabschlüsse mit einem zumeist 10-semestrigem Studium an. In der zurückliegenden Debatte um die Einführung der BA- und MA-Programme hat die RKK eine konsequente Gegenposition eingenommen, da vorgegebene modulare Studienstrukturen einer künstlerischen und/oder medialen und/oder gestalterischen Entwicklung nicht entgegenkommen.
Die Kunsthochschulen in Deutschland haben weltweit einen hervorragenden Ruf, der sowohl auf ihre institutionelle als auch inhaltliche Eigenständigkeit zurückzuführen ist. Diese Unabhängigkeit repräsentiert auch der Zusammenschluss aller Kunsthochschulen in der RKK. Die Eigenständigkeit der Kunsthochschulen ist eine wesentliche Voraussetzung für den internationalen Erfolg dieser Organisationsform, der u.a. dazu führt, dass sich beispielsweise Studierende aus aller Welt an deutschen Kunsthochschulen bewerben, obwohl sie in ihrem Heimatland bereits ein vollständiges Kunststudium absolviert haben.
Trotz dieser herausragenden Stellung erleben die Kunsthochschulen in den Bundesländern zum Teil nicht unerheblichen Druck, der daher rührt, dass ein Bewusstsein um die gesellschaftliche Wichtigkeit und Notwendigkeit der Künste², etwa im Sinne einer Instanz kultureller Imagination wie kritisch-reflexiver Zivilität, nicht in allen Parteien durchgängig verankert scheint. Vor diesem oft ungerechtfertigten Druck, ausgeübt etwa durch Instrumente des Verwaltungsrechts oder auch der Hochschulsteuerung, sind die Kunsthochschulen unbedingt zu schützen (siehe dazu auch den Abschnitt zur Lehramts-Ausbildung weiter unten).
¹ Darunter sind auch drei teilautonome Institutionen – Mainz, Kassel und Weimar – die in der HRK nicht eigenständig, sondern über ‚ihre‘ jeweiligen Universitäten vertreten sind.
² Die Begriffe „Kunst“ und „künstlerisch“ umfassen pars pro toto auch die gestalterischen Studiengänge der Kunsthochschulen.
Strukturelle und qualitative Besonderheiten
Studium und Lehre an einer Kunsthochschule unterliegen einem permanenten Aushandlungsprozess, der sich in andauerndem Diskurs mit der Öffentlichkeit befindet. In ihrem Selbstverständnis verstehen sich die Kunsthochschulen als kulturelle Seismographen für zukünftige gesellschaftliche Entwicklungen, als Institutionen, in denen die wesentlichen Impulse aus künstlerischem Handeln erwachsen.
Die Bewerbungsphase an allen Kunsthochschulen ist offen für alle an den jeweiligen Ausbildungsangeboten interessierte Menschen, unabhängig von ihrer vorherigen Bildung. Voraussetzung ist, dass sie die künstlerischen Eignungsvoraussetzungen für das Studium erfüllen.
Diese künstlerische Eignung wird von Zulassungskommissionen in gestuften Bewerbungsprozessen geprüft. Die Aufnahmequote ist im Verhältnis zur Bewerber*innenzahl sehr gering, so dass bereits vor bzw. mit der Aufnahme ein Qualitätsprüfungsprozess jedes/jeder einzelnen Bewerbers/ Bewerberin in erfolgt.
Qualität und Bewahrung der Prinzipien künstlerischer Lehre sind auch im weiteren Studienverlauf grundlegende Voraussetzungen für Erfolg und Entwicklung der Studierenden an einer Kunsthochschule bzw. Kunstakademie. Die Modelle sind unterschiedlich. So liegt dem gesamten Studienverlauf an den meisten Kunsthochschulen die Aufnahme in eine professoral geleitete Klasse zugrunde. Ob mit oder ohne Klassenstruktur wird die künstlerische Lehre maßgeblich durch die intensive Anleitung der lehrenden Persönlichkeiten geprägt, die die Studierenden im Atelier- oder Projektstudium begleiten. Die individuelle Betreuung beginnt nicht erst mit den Abschlussarbeiten, sondern prägt den gesamten Studienverlauf, gilt es doch, eigenständige künstlerische Individuen zu fördern und in ihren jeweiligen Schwerpunkten zu bestärken.
Die von einer künstlerischen Professur geleitete Klasse bietet den Rahmen, in dem künstlerische Diskurse der Studierenden begleitet und gefördert werden können. In der Kunst ist – abweichend vom methodisch gestützten wissenschaftlichen Denken – eine andersgeartete, ganz eigene Erkenntnisfähigkeit am Werk, die ihre Andersheit u. a. aus dem Zuspiel des Unbewussten und aus ungesteuerten Prozessen des künstlerischen Denkens bis hin zur Erfolgs-Generierung aus der Fehlerproduktion gewinnt. Die entstehenden Ideen rufen nicht vorhersehbare Dynamiken hervor. Sie sind auch im Einzelfall nicht zu konzeptionieren, zu modularisieren oder als Ziel zu definieren. Die Eigenheiten künstlerischer Entwicklungsprozesse bedürfen eines größtmöglichen gesellschaftlichen und hochschulischen Freiraumes, der schutzbedürftig ist. Die Kunsthochschulen bieten jenen rahmenden und auch fordernden Raum, in dem Neues entstehen kann. Sie garantieren den dafür erforderlichen unbedingten und von großer Freiheit geprägten Schutzraum.
Künstlerisches Lehramt
Eine wichtige Säule vieler Kunsthochschulen ist die Ausbildung zum künstlerischen Lehramt. Es ist die Überzeugung aller Kunsthochschulen, dass es für die Absolvent*innen des Lehramtsstudiums eine unschätzbare fachliche Basisqualifikation darstellt, die Erfahrungen und Sichtweisen künstlerischen Denkens – die grundsätzliche Andersartigkeit künstlerischen Wissens und Handelns, wie es nur im Atelierstudium an einer Kunsthochschule oder Kunstakademie erfahren werden kann – in die Schule zu tragen. Daher wird in den meisten Kunsthochschulen eine gleichberechtigte und enge Verzahnung beider Studiengänge im Rahmen des gemeinsamen Atelierstudiums praktiziert.
Dabei steht die Sicherstellung angemessener künstlerischer Eignung zukünftiger Lehrer*Innen
im Zentrum der Zulassungsverordnungen der Kunsthochschulen für die grundständigen Lehramts-Studiengänge.
Die Erfahrung zeigt, dass es unerlässlich ist, in der Interaktion mit den politischen Akteuren,
etwa in den Landesregierungen, zu dieser Frage beständige Überzeugungsarbeit zu leisten
und die Wichtigkeit dieser elementaren Eigenschaft künstlerischer Ausbildung argumentativ
hervorzuheben. Denn qualitative Absenkungen oder gar die Abschaffung von Eignungsprüfungen
würden in der Folge zu einem sofortigen symmetrischen Absinken im Niveau künstlerischer
Bildung der künftigen Lehrkräfte führen - mit direkter Auswirkung auch auf den künftigen
schulischen Unterricht; sie sind aus diesem Grunde für die Kunstuniversitäten und Hochschulen
nicht hinnehmbar.
Die Ausbildungsinstitutionen müssen sich aufmachen, im Dialog mit den politischen Akteuren
geeignete Wege zu finden, um der legitimen Anforderung der Gesellschaft nach mehr Lehrkräften
Genüge zu tun, etwa durch zusätzliche Grundschul-Lehramts-Klassen oder durch postgraduale
Kunstdidaktik-Studiengänge für Absolvent*innen der Bildenden Kunst, die mit der dafür nötigen
praxisorientierten Sachkompetenz künstlerischer Hochschulen aufgelegt werden.
Wissenstransfer künstlerischer Arbeit in die Öffentlichkeit als wesentlicher Aufgabenbereich der Kunsthochschulen/Kunstakademien
Es gehört zu den in den meisten Landeshochschulgesetzen verankerten Spezifika der Kunsthochschulen, nicht nur die Pflege und Entwicklung der Kunst, sondern auch deren Vermittlung in die Öffentlichkeit zu betreiben. Diese besondere Aufgabe unterscheidet sie von den allermeisten universitären Fachbereichen. Hieraus ergeben sich nicht nur besondere strukturelle, sondern auch personelle, räumliche und finanzielle Erfordernisse (Ausstellungsräume- und -budgets, Kuratoren etc.), die es anzuerkennen gilt und für die Fördermöglichkeiten bereitgestellt werden müssen. Rundgänge und Tage der Offenen Tür – vergleichbar mit den mancherorts realisierten Langen Nächten der Wissenschaft – gehören seit Jahrzehnten zur Praxis der Kunsthochschulen. Sie stellen sich so alljährlich einer breiten gesellschaftlichen Öffentlichkeit zur Rezeption.
Förderlandschaft Kunst
Im Gegensatz zu den meisten anderen Hochschultypen bzw. universitären Fächern existieren für Kunsthochschulen/Kunstakademien kaum eigens auf ihre künstlerischen Belange zugeschnittene Förderprogramme. Dazu beizutragen, dass diese institutionellen Benachteiligungen aufgehoben werden, wäre ein dringendes Anliegen der RKK an die HRK. Notwendig hierfür wäre zum einen ein institutionell verankerter gesonderter Förderrahmen, in dem freie künstlerische Arbeit bzw. die Entwicklung von künstlerischen Projekten an Kunsthochschulen oder Kunstakademien gefördert wird, mit den ihnen immanenten künstlerischen Kriterien. Zum anderen bedürfte es einer Förderung der künstlerischen Forschung im Rahmen dedizierter Programme, wie es z. B. bei dem PEEK Programm in Österreich der Fall ist, oder als gesonderte Förderlinie im Rahmen der deutschen Forschungsförderung (z.B. DFG, BMBF und andere).
Dringend zu berücksichtigen wäre hierbei, dass die Kunsthochschulen aufgrund ihrer geringen Größe über eine deutlich schlechter ausgestattete Verwaltungsstruktur verfügen und Antragsverfahren so gestaltet sein müssen, dass sie mit geringem bürokratischem Aufwand zu bewältigen sind. Auch ist auf Grund der zumeist weitaus geringeren Haushaltsvolumen der Kunsthochschulen jede Form der Eigenbeteiligung oder Anteilsfinanzierung mit großen Anstrengungen verbunden, die oft eine Antragstellung unmöglich werden lassen.
Dritte Phase/Postgraduale Qualifikation und Professionalisierung
Die Handhabung der dritten Phase als postgraduale Qualifikationsphase ist an deutschen Kunsthochschulen äußerst heterogen und wird zurzeit durch den Wissenschaftsrat programmatisch eruiert. Die RKK setzt sich dafür ein, dass in den Kunsthochschulen zukünftig länderübergreifend mit den Landeshochschulgesetzen ein auf sie zugeschnittenes Programm etabliert wird, das eine strukturierte, staatlich anerkannte und geförderte dritte Qualifikationsphase nach dem zweiten Studienabschluss oder nach dem Diplom ermöglicht. Dies würde bedeuten, dass zu den bisherigen postgradualen Angeboten optional die Möglichkeit einer künstlerisch-wissenschaftlichen Promotion und/oder ein künstlerischer Meisterschülerstudiengang und/oder eine Förderung für ein künstlerisch/gestalterisches Forschungsvorhaben hinzukämen. Ziel der RKK ist es, dass für eine staatlich anerkannte dritte Phase analog zu den bestehenden Programmen in der Wissenschaft Förderprogramme aufgesetzt werden, mit deren Hilfe die Entwicklung hervorragender künstlerischer Vorhaben und deren Implementierung in die Gesellschaft realisiert werden können.